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Untersagung symbolhafter Kreuzigungsszene in Ulm war rechtswidrig - Durch Bezug zum Kreuz keine Verhöhnung der mit ihm symbolisierten Glaubensvorstellungen des Christentums

Datum: 09.02.2011

Kurzbeschreibung: (Urteil vom 19.01.2011 - 1 K 1561/10) Der Kläger, ein eingetragener Verein, der sich den Schutz der Rechte aller Tiere zur Aufgabe macht, zeigte nach dem Versammlungsgesetz für den Gründonnerstag 2010 von 11:00 bis 12:30 Uhr eine Kundgebung zum Thema Tierschutz und vegetarische Ernährung bei der Stadt Ulm an wie folgt:

(1 K 1561/10) „Drei freiwillige Unterstützer werden nebeneinander stehen. Jeder trägt eine Stange auf den Schultern, so dass sie ihre Arme nach rechts und links ausstrecken können. Es handelt sich dabei nicht um Kreuze, sondern lediglich um eine Holzstange. Dadurch, dass sie nebeneinander stehen, soll die Anmutung einer Kreuzigungs-Szene entstehen. Die drei tragen Tiermasken (Hase, Lamm und Kalb) und sind halbekleidet mit biblisch anmutenden, braun-gefärbten Leinentüchern. Weitere Freiwillige (2-3) Personen verteilen ‚Veggie Starter Kits‘ an die Passanten - dabei  handelt es sich um kostenlose Broschüren mit leckeren pflanzlichen Rezepten“.

Die Stadt bestätigte den Veranstaltungsort „Hirschstraße Höhe Baumrondel B.“ und versah die Anmeldebestätigung mit der folgenden weiteren Auflage:

„Jegliche Darstellungen der Versammlungsteilnehmer bei der o.g. Versammlung, die eine Kreuzigungsszene oder die Anmutung einer Kreuzigungsszene darstellen, ist verboten. Insbesondere das Aufstellen von Kreuzen oder das Tragen von Stangen auf den Schultern der Versammlungsteilnehmer wird untersagt. Des Weiteren werden jegliche grob anstößige Darstellungen untersagt“.

Daraufhin unterließ der Kläger sein Vorhaben insgesamt.  Auf seine Klage stellte das Verwaltungsgericht jetzt fest, dass das Verbot rechtswidrig war.

Die Stadt Ulm sei zu Unrecht von einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Bei isolierter Betrachtung der symbolhaften Darstellung der Kreuzigungsszene durch Personen, die Tiermasken tragen, könne zwar der Eindruck entstehen, dass dadurch christliche Glaubensvorstellungen angegriffen und die Passion Christi durch die Gleichsetzung mit Tieren relativiert oder lächerlich gemacht werden solle. Der Kläger benutze die Anknüpfung an christliche Glaubensvorstellungen in diesem Kontext jedoch allein dazu, um Aufmerksamkeit für den Tierschutz zu erregen und das von ihm gesehene Leiden der Tiere durch Anknüpfung an die Leiden Christi deutlich zu machen. Ein Angriff auf zentrale Inhalte des christlichen Glaubens erfolge damit nicht. Der Kläger stelle durch die von ihm geplante Darstellung zwar einen Bezug zum Kreuz her. Darin sei aber auch keine Verhöhnung der mit dem Kreuz symbolisierten Glaubensvorstellungen des Christentums zu sehen. Das BVerfG sehe das Recht der freien Meinungsäußerung, soweit es den Inhalt der Meinung betrifft, allein durch die Strafgesetze beschränkt. Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das in einer Meinungskundgabe liegende Verhalten des Klägers, das aber gerade nicht gegen die Strafgesetze verstoße, käme somit nur in Betracht, wenn die äußeren Umstände seiner Meinungsäußerung den vom BVerfG gezogenen Rahmen verlassen würden. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die Darstellung der vom Kläger so bezeichneten „Anmutung einer Kreuzigungsszene“, mit der er durch die hierin liegende Anknüpfung an die Passion Christi seine Meinung über das Ausmaß des Leidens der Tiere auch durch eine bildhafte Darstellung zum Ausdruck bringen und kundtun wolle, enthalte keine Begleitumstände, durch die zentrale christlichen Glaubensvorstellungen verächtlich gemacht oder in den Schmutz gezogen würden. Dass die vom Kläger vertretene Meinung und die Art und Weise ihrer Präsentation in der Öffentlichkeit möglicherweise von einer Vielzahl von Personen nicht gebilligt oder gar verurteilt werde, führe nicht zu der Bejahung der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und sei folglich nicht entscheidend. (Bi.)

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